Montag – 12.01.2015
Hole das Kind nach drei Stunden Kita ab. Wundere mich über die leere Garderobe. Spreche mit den Erzieherinnen und erfahre, dass wohl der sogenannte RS-Virus unterwegs ist. Fünf von 23 Kindern in zwei Gruppen sind noch anwesend. Schlucke und versuche nicht in Panik auszubrechen. Fahre nach Hause, stecke das Kind ins Bett und google „RS Virus“. Mir gefällt nicht, was ich lese. Erfahre, dass es meistens mit Husten und Schnupfen beginnt und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass wir uns nicht angesteckt haben.
Dienstag – 13.01.2015
Das Kind hustet bereits kurz nachdem sie aufgestanden ist. Rufe in der Kita an und melde sie zunächst für einen Tag ab. Wir gehen einkaufen, auf den Spielplatz und helfen nachmittags noch beim Umzug der Uroma. Am Ende des Tages wird sie quengelig. Abends zeigt das Thermometer 40.0 und wir versuchen verzweifelt das hohe Fieber zu senken. Versuche das Kind mit Ofenpfannkuchen aufzumuntern – misslingt.
Mittwoch – 14.01.2015
Sitzen beim Kinderarzt und treffen beinahe die gesamte Kindergartentruppe. Alles hustet, atmet extrem flach und ist durch den Wind – inklusive der Eltern. Kind wird untersucht und die Ärztin nimmt einen Abstrich. Wir sollen inhalieren, da das Virus die Bronchien und die Lunge angreift. Das Fieber bekommen wir tagsüber weiterhin kaum in den Griff und können es kaum erwarten, bis die sechs Stunden endlich vorbei sind und wir neue Medis geben können.
Donnerstag – 15.01.2015
Wir bekommen offiziell die Diagnose „RS-Virus“, googeln weiter und geraten tagsüber immer mal wieder in Panik. In der Kita sind angeblich noch 3 von 23 Kindern. Das Kindlein wird sichtlich schwächer, das Fieber liegt weiter über 40.0. Sie hat seit Mittwoch nichts mehr gegessen und trinkt immer schlechter.
Spüre das erste Mal selbst Husten, bekomme Schnupfen und fühle mich elend.
Freitag – 16.01.2015
Gleich morgens erneuter Termin beim Kinderarzt. Sie macht uns deutlich, dass sie sehr krank ist und bittet uns, spätestens Sonntag in die Klinik zu fahren, sollte sie weiterhin so hoch fiebern. So viel sei vorweg gesagt: bis Sonntag schafft die Maus es nicht. Die Lunge klingt schrecklich und auch das Inhalieren bringt nichts. Bis zum Abend wird sie immer apathischer. Heule meinem Mann das Telefon voll, kann die Situation nicht einschätzen. Papa kommt nach hause. Um 19.00 Uhr fahren wir in die Klinik.
Kind bekommt dort erneut ein Zäpfchen und dreht danach kurz auf – ausgerechnet als sie der Arzt untersucht. Erster Satz, nachdem er sie untersucht hat: „Also wissen sie, Fieber ist ja pauschal nichts schlechtes.“ Möchte ihn schlagen, erwürgen und treten. Er schickt uns nach hause mit der Bitte morgen erneut zu kommen, sollte es gleich bleiben oder schlechter werden. Großer Fehler.
Habe nun auch RS. Husten brennt wie Feuer, viel Feuer, viel viel Feuer.
Samstag – 17.01.2015
Brauche nicht erwähnen, dass das Kind weiterhin nicht isst oder trinkt. Zum Stillen ist sie nun auch zu schwach. Sie wacht nicht mehr richtig auf, schläft praktisch ununterbrochen auf Papa oder Mama. Werden unruhig und panischer. Halten es nicht bis Abends aus und fahren Nachmittags erneut in die Klinik. Gleiche Schwester wie am Abend, die die Situation Gott sei Dank richtig einschätzt und uns „vorschiebt“, wie sie sagt. Gleicher Arzt, andere Meinung. Sättigung wird gemessen, ebenso Herzschlag. Fieber nach wie vor außer Kontrolle. Kind nicht ansprechbar oder weckbar. Schiebe die Tränen zunächst zur Seite. Arzt versucht 30 Minuten und in drei Anläufen einen Zugang zu legen. Kind mobilisiert letzte Kräfte und schwitzt wie verrückt. Dann endlich – Zugang gelegt! Werden stationär aufgenommen. Schicke Liste an meine Schwester, die am Abend alles vorbei bringt, was noch so fehlt. Kind lässt sich natürlich nicht ablegen und so verbringen wir die erste Nacht unruhig auf dem kleinen Mamaklappbett.
Kind kann irgendwann die Sauerstoffsättigung nicht mehr halten und bekommt zusätzlich welchen über die Nase. Zuerst heisst es, das braucht sie nur nachts. Weit gefehlt, wie der nächste Tag zeigt.
Arzt kommt noch einmal und bespricht mit uns die Blutwerte, die deutlich den RS zeigen – aber keine weiteren Entzündungswerte. Ärzte hatten noch andere Sachen vermutet, die das schlechte Befinden nutzen um sich breit zu machen. Gott sei Dank ist dem nicht so. Nachts schleicht sich die Erkenntnis ein, dass es nicht so schlimm gekommen wäre… hätte uns der Arzt nicht erst noch einmal nach hause geschickt.
Sonntag – 18.01.2015
Die Nacht war schrecklich, habe bis 3.00 Uhr nicht geschlafen. Infusion piepte, Kind brauchte Zäpfchen, hustete, musste inhalieren. Wir sind Gott sei Dank noch allein. Darf das Zimmer nur mit Mundschutz und desinfizierten Händen verlassen. Erfahre, dass es noch mehr RS Fälle auf der Station gibt. Blicke auf den unverändert schlimmen Zustand meines Kindes. Papa kommt, Visite kurz nach acht. Die Ärztin ist erschrocken sagt uns schonungslos die Wahrheit „Ihre Tochter ist wirklich sehr sehr schwer erkrankt.“ Infusion läuft weiter, Kind blass und aufgequollen. Fieber nach wie vor schrecklich hoch. Ärztin ist zusätzlich beunruhigt, da das Kind gar nicht wach wird.
Drei Kabel am Kind und wir mit den Nerven tiefer als im Keller. Der erste Versuch, den Sauerstoff tagsüber abzustellen scheitert kläglich und die Geräte schlagen unentwegt Alarm. Kind übergibt sich durch den Husten zusätzlich und hat Durchfall. Arbeite mechanisch und versuche ihr, alles so einfach wie möglich zu machen. Papa ist den ganzen Tag bei uns. Anders hätte es auch nicht funktioniert. Hätte nicht mal das Örtchen aufsuchen können. Frage mich die ganze Zeit, wie andere das machen.
Abends ist das Kind kurz wach und knabbert an einer Scheibe Gurke – ein Lichtblick?! Ansonsten hechelt sie nach wie vor wie ein Hund, Atmung flach und extrem schnell. Es tut schon beim Hinsehen weh.
Montag – 19.01.2015
Kind hatte in der Nacht wieder unendlich viele Hustenanfälle. Habe aber etwas mehr Schlaf abbekommen. Fieber „nur“ noch über 38… erst einmal kein Zäpfchen mehr *top* Zugang wird überprüft und neu verklebt. Kind schreit schon, sobald es jemanden mit Mundschutz sieht. Papa steht im Stau. Kind kommt nach der Visite das erste Mal kurz von der Infusion ab. Zwischenzeitlich sind besonders ihre Augen extrem stark angeschwollen. Ansonsten schläft sie nach wie vor und wird nur durch Unterbrechungen wie Abhören durch die Ärzte wach, was in großem Geschrei endet.
Kind bekommt etwas Neues zum inhalieren – mit Adrenalin. Alles nur Versuche, wie die Ärzte sagen. Das Virus muss der Körper allein schaffen – inhalieren kann nur unterstützen. Nach der neuen Inhalation wird sie weiß wie eine Kalkwand und hustet so schlimm, dass sie schweißgebadet an Mama zusammensackt. Parke eine komplette Tempobox an meinem Bett, da ich in einer Tour schnaube. Am Abend ist die Temperatur vom Kind nach wie vor konstant. Endlich. Nach fast einer Woche hohem Fieber ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass es endlich bergauf geht. Trotzdem: nicht ein Schluck Wasser/Saft ins Kind bekommen.
Wickeln im Akkord – durch die Infusion explodieren die Pampers fast regelmäßig. Kind erbricht Abends noch mal und muss Kleidung wechseln. Ab von der erneut aufgedrehten Infusion, neuer Body, durchspülen am Zugang, viele Tränen und dann auch noch die Nachricht, dass wir unser Einzelzimmer aufgeben müssen. Abends Umzug zu einer anderen sehr lieben Mama – ebenfalls RS Virus.
Dienstag 20.01.2015
Die Nacht war trotz zweitem Kind recht angenehm. Wir versuchen erneut den Sauerstoff abzudrehen, was jedoch wieder in einem Desaster endet. Sättigung fällt sofort. Adieu Hoffnung. Kind wird dafür wach, zumindest für wenige Stunden. Fieber konstant weg, Oma zu Besuch – Gott sei Dank etwas Ablenkung. Kind futtert minimal und trinkt auch etwas. Abends dreht sie das erste Mal hoch und will vor halb elf nicht schlafen. Bin fix und alle. Als sie schläft muss ich das erste Mal mit den Tränen kämpfen. Hatte bisher noch nicht die Zeit, überhaupt alles zu verarbeiten oder tiefer drüber nachzudenken. Ehe ich mich ausweinen kann, schlafe ich ein.
Mittwoch 21.01.2015
Bekomme endlich ein normales Patientenbett. Kind und ich haben mehr Platz und der Mittagsschlaf ist ein Segen. Kind futtert das erste Mal Mittag (Nudeln Bolognese) und Papa versorgt Mama weiterhin gut mit Essen. Liege nur rum und esse. Kind ist unterdessen schon fast die Alte. Kramt alles aus und es raubt mir einige Nerven, sie davon abzuhalten, aus dem Zimmer zu türmen. An der Tür hängt nach wie vor ein gelbes Warnzettelchen, was signalisiert, dass wir ziemlich ansteckend sind. Fühle mich selbst immer noch elend, habe die letzten Tage durchgehend Kopfschmerzen und schmecke nichts mehr, da alles verschleimt ist.
Kann dadurch mein Kind nicht „schnuppern“ und fühle mich schrecklich. Kämpfe tagsüber immer wieder mit den Tränen, obwohl das Kind gut drauf ist. Schwestern teilen uns mit, dass nun neue Kinder mit RS aus der nächsten großen Stadt kommen, da dort die Krankenhäuser überfüllt sind.
Irgendwann drehen wir den Sauerstoff ab und endlich kann sie ihre Sättigung halten. Auch beim Mittagsschlaf. Schicke wieder ein Gebet nach oben und hoffe, dass es die Nacht so bleibt. Zugang ist kaputt, Arm extrem geschwollen, so dass die Flexüle entfernt wird. Endlich ein Kabel weniger.
Donnerstag 20.01.2015
Nacht war nicht ganz so gut, das andere kleine Mäuschen hat viel geweint und ich habe mitgelitten. Kindlein hat gepennt wie eine eins. Sauerstoffsättigung gut gehalten. Puls ebenfalls super. Visite und die bange Frage, ob wir nach Hause können. Husten nach wie vor schrecklich, beim Abhören aber keine Auffälligkeiten, die auf eine Lungenentzündung hinweisen, die man nach dem RS oft obligatorisch noch zusätzlich bekommt. Sind erleichtert und dürfen tatsächlich gegen Mittag das Krankenhaus verlassen.
Kind macht nur eine Stunde Mittagsschlaf, Papa nimmt sie ab. Schlafe selbst wie ein Stein und spüre, wie mein Körper sich holt, was er braucht. Fühle mich immer noch schrecklich schlapp und krank. Vereinbaren noch einen Termin mit der Kinderärztin, da engmaschig auf Lungenentzündung gecheckt werden muss.
Jetzt
Es hat mich einige Kraft gekostet, das hier alles aufzuschreiben. Aber ich wollte es machen, bevor ich wieder die Hälfte vergessen habe. Habe mir einige Bilder von der richtig schlimmen Phase erneut angesehen und kann nicht glauben, dass es ihr wirklich so schlecht ging. Frage mich, wie es Eltern gehen muss, die schlimmere Schicksale haben… und finde keine Antworten. So langsam fällt die Anspannung ab. Und jetzt… gehe ich ins Bett, lege mich neben das Kindlein und werde endlich den Tränen freien Lauf lassen. Gute Nacht!