Ohnmacht. Nichts als Ohnmacht.. vielleicht mit einer Prise Hilflosigkeit. Vor allem aber Ohnmacht… wie ein Ozean machte sich dieses dumpfe Gefühl in meinem Körper breit. Das Kindlein war das erste Mal im Krankenhaus und ich bin ihr keine Sekunde von der Seite gewichen – von den obligatorischen Toilettengängen mal abgesehen. Ich brauche ja nicht erwähnen, dass ich mich als Mutter wie ein kleines Häufchen Elend gefühlt habe. Dabei will (oder muss?) man doch stark sein – für sein Kind, für sich selbst.
Während der sechs Tage im Krankenhaus hat sich die Ohnmacht noch irgendwo ganz tief in mir versteckt. Immerhin musste ich „arbeiten“… hielt mein Kind, wickelte es, tröstete es, liebte und wiegte es. Ich stand 24 Stunden unter Strom, jeden Tag. Immer diese bange Frage, ob es nicht irgendwann besser wird. All die Horrorgeschichten von anderen Müttern auf dem Gang, deren Kinder nun aufgrund des RS Virus‘ intubiert werden mussten. Schreckliche Gedanken spuken dann mit einem Mal durchs Gehirn. Und doch hangelt man sich wie selbstverständlich von Tag zu Tag, von Visite zu Visite, hofft, bangt und wartet.
Abends, wenn ich unter dem Blubbern der Sauerstoffzufuhr mein Kind in den Schlaf wiegte, kroch diese Ohnmacht langsam aus ihrem Versteck hervor und kratzte an meinen Gefühlen, wollte rein, wollte raus, hin und her. Die ein oder andere Träne verließ dann mein Augenlid, aber ich war stark – zumindest die meiste Zeit. Und dann schlief ich auch schon weg und das Gefühl verkroch sich wieder. Erst zu Hause und vor allem beim Betrachten der Bilder schwappt die Welle wieder über mich. Ich blicke auf das Bild und die Videos mit dem aufgequollenem Kind, was seine Augen kaum öffnen kann, so sehr ist sie durch die tagelangen Infusionen gezeichnet. Ihre Hand ist blau von den vielen Versuchen, einen Zugang zu legen, was aufgrund ihres Zustandes kaum noch möglich war. Die Sauerstoffbrille unter ihrer Nase, die vielen Pflaster, die versuchen das Kabel an Ort und Stelle zu belassen, der Sensor am Fuß, die verschwitzten Haare, die trockenen und aufgesprungenen Lippen. Und dann diese Atmung. Diese schreckliche flache, schnelle Atmung. Beim bloßen Zusehen zieht sich das Herz zusammen und setzt für eine kurzen Augenblick aus.
Das Kind magert ab… es ist ja noch nicht dünn genug (Ironie off). Wir gehen wieder gefährlich schnell auf die 8,xkg zu und haben vor wenigen Tagen mit Entsetzen feststellen müssen, dass trotz Kleidung beim Wiegen wieder 100g verschwunden sind. Die engste Leggings ist nicht eng genug und schlackert um die Streichholzbeinchen. Der süße kleine Bauchi ist auch verschwunden *seufz* Auch nachdem wir nun schon eine ganze Weile zu hause sind, ist sie nach wie vor noch nicht zu ihrer alten Essensform zurück gekehrt. Klar – sie war vorher auch nicht die beste Esserin. Aber momentan ist es wieder ganz ganz schwer, etwas in diesen kleinen Körper zu bekommen. Vor allem Flüssigkeit. Ich reiße mir Arme und Beine aus und biete alles an, was es so gibt. Trotzdem ist es sehr wenig, was wiederum Angst schürt. Angst, dass sie beim nächsten mittleren Infekt wieder so ausgeknockt wird und wir uns im Kreis drehen. Und dann fliegen die Bilder vor meinen Augen herum… Bilder dieses schwachen Kindes, wie es verschwitzt und schwer atmend auf mir schlief und nicht einmal die Kraft hatte, die kleinen Lider zu heben und die Mama anzuschauen.
Außerdem habe ich meinen kleinen nachtaktiven Vampir verloren. Was ja pauschal erst einmal nichts Schlimmes ist… Haben wir vor dem Krankenhausaufenthalt noch 5-6x nachts gestillt, so sind wir aktuell bei 2-3x. Während es ihr ganz schlecht ging, hat sie nachts sogar gar nicht gestillt und fand auch tagsüber sehr oft keine Kraft dafür.
Sonst entdecke ich – Gott sei Dank – keine Wesensveränderung an ihr. Hört man doch diverse Geschichten von Freunden und Bekannten bei denen das Kind anschließend so sehr durch den Wind war, dass man dachte es wurde vertauscht. Ich schiebe es einfach auf diese völlige Erschöpfung. Im Grunde hat das Kindlein die ersten Tage gar nicht mitbekommen, da sie nur schlief schlief und schlief (was einem im Übrigen einfach nur Angst machte). Ich hoffe, dass es so bleibt… momentan springt sie wieder durch die Gegend und hat ihr altes „ich nerve meinen Mama so gerne Level“ voll und ganz erreicht. Aber hey.. ganz kitschig jetzt… ist ja auch egal, Hauptsache sie ist gesund und wieder auf den kleinen Streichholzbeinchen.
Hey Kathi,
ich weiß genau wie du dich fühlst. Mein Kleiner hatte mit ca. 4 Wochen eine Neugeborenen-Infektion mit der Diagnose Blutvergiftung. Er hatte jetzt „nur“ über 40 Fieber und bekam „nur“ eine Unmenge an Antibiotika in die kleinen Venen, am Anfang auch nen Tropf. Zum Glück wurde ich aber von Beatmung verschont, er war trotz allem relativ fit und ich konnte ihn regelmäßig stillen. Wir waren insgesamt 12 Tage im Krankenhaus, da die Ärzte sicher sein wollten, dass die Entzündungswerte vollends weg sind.
Allerdings war der Anblick meines noch frischen Babys im Metallgitterbett mit Kabeln und Schläuchen an sich dran (am Anfang hatte er den Zugang am Kopf und eine Mütze aus Mullbinden drumherum) katastrophal. Überall piepte es. Wenn er weinte, konnte ich ihn erst in die Arme nehmen, wenn mir jemand half die Schläuche und Kabel zu halten. Vom Umziehen und Wickeln will ich gar nicht erst erzählen. Ich hatte Angst, dass sich der Zugang löst, was später auch der Fall war. Mein Baby, das bis dahin prima an Gewicht zugenommen hat, magerte trotzdem ab. Als Neu-Mama, vll bin ich da auch eine Ausnahme, fühlt man sich als totale Versagerin, obwohl ich wusste, dass ich nicht an seiner Erkrankung schuldig war.
Die Erinnerungen daran quälen mich noch manchmal, denn dieses Gefühl von Hilflosigkeit hat sich bei mir tief eingebrannt, sodass es wieder kommt, wenn er wieder Fieber hat. Es ist zum heulen, obwohl er schon 16 Monate ist.
Thema Essen nach einer Krankheit: mein Kleiner isst dann auch sehr schlecht. Zum Glück kann ich noch stillen, denn das ist das Einzige, was dann in ihm bleibt. Das Abmagern ist also bei uns „normal“, stabilisiert sich aber dann wieder. Hab Geduld! Solange deine Kleine gut drauf ist, musst du dir keine unnötigen Sorgen machen, auch wenn der Krankenhausaufenthalt noch nicht lange her ist.
Nur Mut!
Lg Marianne
Liebe Marianne,
vielen Dank für Deine Geschichte.. das klingt schrecklich! Noch viel viel schrecklicher als bei uns… immerhin rechnet man ja so gar nicht mit solch einer Entwicklung. Wir wussten nach einigen Google Erlebnissen ja ungefähr, was uns erwartet.. aber wie furchtbar muss es sein, sein Baby kurz nach der Geburt so zu sehen :/ Ich fühle mit dir…
Ich wünsche Dir und Deiner Maus von Herzen, dass es schnell wieder bergauf geht und Dich diese Bilder aus dem KH nicht länger verfolgen. Als mein Sohn Nesselfieber hatte war er sehr stark aufgequollen und das überwiegend im Gesicht. Auch er bekam kaum seine Augen geöffnet. Mir ist erst im Nachhinein – beim Betrachten der Bilder – bewusst geworden, wie schlimm er aussah und es fürchterlich am ganzen Körper gejuckt haben muss.
Wenn deine Kleine anfängt wieder „die Alte“ zu sein, dann seid ihr auf dem richtigen Weg.
Nochmals alles Gute für Euch!
Hach Mensch… und ich dachte schon, es geht nur mir so… klar, wenn es dem Kind schlecht geht, dann sieht man das auch irgendwie.. aber in diesen Momenten ist man dann vielleicht doch so angespannt, dass es einem nicht so sehr bewusst wird. Wenn ich mir die Bilder ansehe wird mir im Nachhinein wirklich schlecht.. und ich meine mich nicht erinnern zu können, dass es während der eigentlichen Situation auch so schlimm war. Schon komisch, was der Kopf da mit uns macht.
Ach Du Schreck, ich fühle mit Dir, Henri war auch schon 2x im ertsen Jahr im Krankenhaus. Man fühlt sich so furchtbar, wenn das eigene Kind im Krankenhaus liegt und man außer lieben, Hand halten und einfach da sein nichts tun kann. Ich wünsche gute Besserung und dass die kleine Maus schnell wieder an Gewicht zulegt.
LG verena